Seit etlichen Jahren gibt es die sogenannte Vollverzinsung, d.h. Steuernachzahlungen sowie Steuererstattungen werden unter gewissen Voraussetzungen verzinst. Der Zinssatz beträgt nach wie vor 6% p.a. Steuerberater Roland Franz, Geschäftsführender Gesellschafter der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner (Düsseldorf, Essen, Velbert), weist darauf hin, dass insbesondere für Steuernachzahlungen aufgrund von geänderten Steuerbescheiden durch Betriebsprüfungen dies teuer werden kann. Betroffene sollten daher Einspruch einlegen.
„Die Tatsache an sich ist schon ärgerlich, aber noch ärgerlicher ist der Zinssatz von 6%. In den letzten Jahren hat sich das Zinsniveau immer weiter nach unten bewegt und liegt teilweise zurzeit um 1%. Die Gesetzgebung der Vollverzinsung kommt aus Zeiten, als wir noch Zinssätze von 9% hatten. Bisher hat sich die Gesetzgebung um diese Thematik nicht gekümmert, obwohl immer wieder im Rahmen von Klageverfahren versucht wurde, auf einen niedrigeren Zinssatz hinzuwirken“, erklärt Steuerberater Franz. Z.Z. ist wiederum ein Klageverfahren anhängig, was u.U. dazu führen könnte, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit dieser Thematik beschäftigen muss.
Für alle Steuerpflichtigen, die von dieser Thematik betroffen sind, hat die Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland Franz & Partner nachfolgenden Mustereinspruch entworfen, mit dem Betroffene gegen die Zinsfeststellung vorgehen können (alle Angaben, auch nachfolgend, ohne Gewähr). Wer allerdings Zweifel hat, dem rät Roland Franz, sich unbedingt von einem Steuerberater beraten zu lassen. Weitere Infos: www.franz-partner.de
Text Mustereinspruch:
Einspruch gegen den Zins–Bescheid zur Einkommensteuer 20__ vom ………………….
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beantragen, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass die strittigen Zinsen für den Zeitraum ab dem 01.01.2009 nur noch mit 2,5 % p.a. (statt mit 6,0 % p.a.) festgesetzt werden.
Zur Einspruchsbegründung wird vorgetragen:
In 2012 ist beim Finanzgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 12 K 2497/12 AO erneut eine Klage rechtshängig geworden, mit der die Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen nach § 233a AO in Verbindung mit dem in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegten Zinssatz in Höhe von 0,5 % für jeden vollen Monat des Zinslaufs bestritten wird.
Abweichend von dem Rechtsstreit I R 80/10 (Vorinstanz FG Düsseldorf 6 K 4585/07 AO), den der BFH durch Urteil vom 20.04.2011 (BFH/NV 2011, 1654) zu Ungunsten der dortigen Klägerin entschied, wird nunmehr gerügt, dass die Vollverzinsung nach § 233a in Verbindung mit § 238 AO für den Zinszeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.05.2011 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und gegen das sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebende Übermaßverbot verfassungswidrig sei. Mit der Klage wird begehrt, dass die ermittelten Unterschiedsbeträge für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.05.2011 nur mit 2,5 % p.a. (statt mit 6,0 % p.a.) verzinst werden.
Es ist davon auszugehen, dass dieser Rechtsstreit an das Bundesverfassungsgericht gelangen wird, entweder im Wege eines Normenkontrollverfahrens oder – nach Erschöpfung des Rechtswegs – durch eine Verfassungsbeschwerde der Klägerseite.
Mit der Entscheidung des BFH I R 80/10 (a.a.O.) hat sich Jonas in Ubg (Die Unternehmensbesteuerung 12/2011), S. 960 ff. auseinandergesetzt.
Er legt dar, dass sich die Zinsen am Kapitalmarkt seit Einführung der steuerlichen Vollverzinsung von damals realistischen 9 v.H. auf mittlerweile circa 1 v.H. verringert haben. Obwohl der BFH in seiner Entscheidung vom 20.4.2011 I R 80/10, BFH/NV 2011, 1654 keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Belastung hegte, die sich aus der 6% igen Verzinsung einschließlich ihrer steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit ergeben, sieht der Verfasser einen gewissen Anpassungsbedarf aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen. Denn die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung (Ausgleich des dem Fiskus entstandenen Zinsnachteils wegen der nicht möglichen zinsbringenden Nutzung der vorübergehend vorenthaltenen Beträge) hat sich – so der Verfasser weiter – mittlerweile so weit vom typischen Lebenssachverhalt entfernt, d. h., sie trifft den „Normalfall“ im Grunde gar nicht mehr und erfasst letztlich nur den „Ausnahmefall“, was wiederum dazu führt, dass die Vorteile der Typisierung nicht mehr überwiegen und die Bestimmung somit ihren Zweck verfehlt. Notwendig wäre für den Verfasser eine Regelung, die dynamisch auf Entwicklungen des Kapitalmarkts reagiert.
Die Befugnis zu einer sachgerechten und realitätsnahen Typisierung schließe nämlich die Verpflichtung ein, im Falle einer Veränderung der zugrundeliegenden Verhältnisse die typisierende Gesetzesnorm anzupassen (vgl. Osterloh, in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3, Rdn. 108 mit Hinweis in Fn. 199 auf den Beschluss des BVerfG v. 08.06.1993 – 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, S. 15, 24 ff.).
In dauerhaften Niedrigzinsphasen führe die Regelung über Nachzahlungszinsen in § 233 a AO dazu, dass der ursprünglich angestrebte Gesetzeszweck verfehlt werde und willkürlich belastende Übertypisierungen entstehen würden.
Der vorgenannten Auffassung von Jonas, a.a.O., ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Unter Bezugnahme auf das vorgenannte Klageverfahren 12 K 2497/12 AO beim FG Düsseldorf beantrage ich daher außerdem, das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhen zu lassen. Nach meinen Informationen ist die Verwaltung mit einem Ruhen aus Zweckmäßigkeitsgründen auch einverstanden.
Der strittige Bescheid ist im Übrigen nicht nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 AO insoweit vorläufig ergangen.
Mit freundlichen Grüßen