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Russland – der flächenmäßig mit Abstand größte Staat der Erde – wird vor allem mit den Millionen-Metropolen Moskau und St. Petersburg assoziiert. Doch das riesige Land offeriert durch seine schiere Größe eine Unzahl an Möglichkeiten für Veranstaltungen in unterschiedlichsten kulturellen Umfeldern – von der Ostsee bis in den Fernen Osten! Nur sind diese zumeist bei uns noch reichlich unbekannt, weshalb Russland international eine recht neue, aufstrebende Destination ist. Alexey Kalachev (AK), CEO des ebenfalls noch jungen Russian Convention Bureau (RCB), gibt im Interview mit mep interessante Über- und Einblicke. Das Gespräch führte Thomas P. Scholz.

Herr Kalachev, was prädestiniert Russland insgesamt für das Meeting- und Event-Geschäft?

AK:  Russland ist eine multinationale, multikulturelle Destination mit reicher Historie und rangiert weltweit unter den Top Ten bezogen auf die Anzahl der UNESCO Welterbestätten! Und Russland ist stark im wirtschaftlichen wie wissenschaftlichen Bereich. Das gesamte Land besteht aus nicht weniger als 85 Regionen, die eine unglaubliche Vielfalt für die Umsetzung von Events bieten. Und wir haben natürlich Erfahrung in der Organisation von High End- und Großveranstaltungen. Das zeigen Formate wie die Olympischen Winterspiele in Sotschi (Sochi), der APEC-Summit oder die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr.

Was sagen die offiziellen Zahlen zum Meeting-Markt Russland aus?

Zunächst einmal: Wenn der weltweite Umsatz aus dem Kongressgeschäft rund eine Billion beträgt und Russland daran derzeit einen Anteil von unter einem Prozent hat, zeigt das, dass es unser Hauptziel ist, diese Situation zu verbessern. Und dafür haben wir alle Möglichkeiten. Die Russische Föderation verfügt insgesamt über alle Regionen hinweg über rund 3.500 Veranstaltungsstätten. In den letzten 15 Jahren haben wir für Events große Fortschritte gemacht in puncto Erreichbarkeit und Unterkünfte auf hohem Niveau.

Was sind die interessantesten Destinationen und warum?

Lassen Sie mich zuerst auf ein Instrument eingehen, dass es uns im RCB erlaubt, die jährlichen Veränderungen im Eventmarkt in den einzelnen Regionen zu erfassen und somit auch die wichtigsten Destinationen. Das ist das „Russian Regions Event Potential Rating“, erstellt von der R&C Market Research Company. Im vergangenen Jahr ist die nunmehr 5. Studie erschienen, die sich auf fünf Indikatoren bezieht: Erreichbarkeit, Vermarktung, Branchenpolitik, touristische Anziehungskraft und Transportmöglichkeiten.

Seit der ersten Studie in 2014 – Moskau und Region nehmen aufgrund ihrer Ausnahmestellung daran nicht teil – hat sich die Branche stark gewandelt. Dabei sieht es so aus, dass die im Rating führenden Top drei sich nicht geändert haben. Erster bleibt St. Petersburg, das in 2018 den 85. UFI Global Congress ausrichtete, der 500 Teilnehmer aus 54 Ländern zusammenbrachte. Zweiter ist Jekaterinburg (Ekaterinburg). Auch wenn es nun nicht die EXPO 2025 austragen wird, so hat die Promotion-Kampagne doch viel Aufmerksamkeit in Sachen Image und Attraktivität für Investoren gebracht.

Den dritten Platz belegt Sotschi, Kasan (Kazan) ist Vierter, Nischni Nowgorod (Nizhny Novgorod) als Newcomer Fünfter. Das Engagement des Convention Bureaus der Republik Baschkortostan ließ Ufa auf Rang sechs springen. Königsberg (Kaliningrad) und Murmansk sind zum ersten Mal unter den ersten Zehn. Wegen seiner außergewöhnlichen Natur und Kapazitäten gerade für mittlere und kleinere Formate ist Kamschatka (Kamchatka) besonders zu beachten, das sich neu unter den vorderen zwanzig Destinationen platziert.

Wie promoten Sie seitens des RCB?

Unser Fam Trip im vergangenen Jahr war dem FIFA World Cup 2018 gewidmet und führte direkt an jene Spielstätten, die auch unter Event-Aspekten  interessant sind – in diesem Fall Moskau, Jekaterinburg, Rostow am Don (Rostov-on-Don) und Sotschi. Natürlich haben wir nicht nur die Stadions gezeigt, sondern auch andere Veranstaltungs-Infrastrukturen und Sehenswürdigkeiten. In diesem Jahr haben wir die Vielfältigkeit der russischen Regionen in Bezug auf Landschaft, Kultur, Tradition und Wirtschaft zum Anlass genommen und die Teilnehmer nach Moskau, Kasan und Ufa eingeladen.

Wie schätzen Sie Russlands Angebot(e) im internationalen Kontext ein?

Russland baut derzeit sein Image als Veranstaltungsdestination am internationalen Markt auf. Dass wir von manchen noch eher unentdeckt sind, birgt den Vorteil attraktiver Erlebnisse. Gut ist, wenn Event und Region zueinander passen – gerade bei Wirtschaft und Wissenschaft. Die Übereinstimmung von lokaler Forschung und internationalem Verband ist ein starker Treiber. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel des RCB, solche Formate für die jeweilige Region, Branche oder Forschungslandschaft ausfindig zu machen, aus der möglichst produktive Verbindungen entstehen können.

Was könnten machbare Empfehlungen für Side Events sein?

Jede Destination hat Programme für Aufenthalte von, zum Beispiel, drei oder fünf Tagen oder sogar einer ganzen Woche. Wie erwähnt haben wir bei unserem jüngsten Fam Trip unter dem Motto „Open Russia with Three Cultures“ in fünf Tagen drei ganz unterschiedliche Destinationen und Hauptstädte präsentiert – Moskau, Kasan (Hauptstadt der Republik Tatarstan) und Ufa (Hauptstadt der Republik Baschkortostan). So lässt sich die Diversität an veranstaltungsbezogener, aber auch industrieller und wirtschaftlicher Infrastruktur ermessen. Ein anderes Beispiel ist unsere große nördliche Metropole St. Petersburg als Schauplatz der 13. Versammlung der Strategischen Allianz Nationaler Convention Bureaus in Europa. Hier schließen die Teilnehmer Bekanntschaft mit der Stadt der Paläste, Kanäle, Parks und der außergewöhnlichen Architektur.

Welche Organisationen merkt man sich als nationale Ansprechpartner?

Das RCB Russian Convention Bureau ist eine öffentliche Organisation, deren rund hundert Mitglieder von PCOs und DMCs über Veranstaltungsstätten, Hotels und Service-Dienstleister bis hin zu regionalen Convention Bureaus reichen, und die damit den gesamten Markt repräsentiert.

Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Stand der Ausbildung von Kongress- und Eventmagern in Russland ein?

Dieses Thema ist einer der Schwerpunkte des RCB. Wir unterstützen nicht nur Ausbildungsprojekte, sondern beteiligen uns auch an der Weiterentwicklung in diesem Bereich. Dazu haben wir Kooperationen zwischen führenden Ausbildungs-Institutionen hergestellt, um gemeinsame Angebote im Bereich Eventmanagement zu schaffen. Wir initiieren Master Classes für die Branche. Eines der jüngsten Projekte vollzieht sich im Ocean Education Center an der fernöstlichen Pazifikküste, wo wir für den Nachwuchs im Rahmen der Ausbildung spezielle Möglichkeiten mit Blick auf die Veranstaltungsbranche legen.

Wo sehen Sie besondere Chancen in der künftigen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern?

Unser Dachmotto „Russia open to the World“ soll sich natürlich nicht nur auf die Veranstaltungsmöglichkeiten im Land beziehen, sondern auf Geschäftsbeziehungen insgesamt. Wir vermitteln potenzielle Partner, die offen für Kooperationen sind und sprechen hier zuvorderst von Wirtschaftsverbänden und –vereinigungen.

Gibt es spezielle Standorte/Infrastrukturen, die Sie hervorheben möchten?

Großveranstaltungen wie die bereits genannten hinterlassen natürlich als „Erbe“ Möglichkeiten der Nachnutzung. Als ganz neu möchte ich speziell das  erst im Juni eröffnete Projekt „Congress Hall of Ekaterinburg-EXPO International Exhibition Center“ hervorheben. Es ist das größte Veranstaltungszentrum am Ural. Das Exhibition Center umfasst vier Pavillons mit insgesamt 50.000 qm sowie das modernste Kongresszentrum Russlands auf 41.000 qm, ausgestattet mit einer flexiblen Halle für 1.500 bis 5.000 Teilnehmer und zusätzlicher Ausstellungsfläche. Events können auf 60.000 qm stattfinden. Insgesamt stehen über 170.000 qm zur Verfügung, die sich für unterschiedliche Veranstaltungszwecke eignen – und das an der „Grenze“ zwischen Europa und Asien! Die erste Veranstaltung, die hier tagte, war übrigens die Generalversammlung der Mitglieder des Russian Convention Bureau.

Außerdem möchte ich das VDNH (Bild, Name in Übersetzung: „Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft“, in Moskau; Anm.d.Red.) erwähnen, eine der führenden Veranstaltungsstätten im Land, die üblicherweise Großveranstaltungen mit Regierungsbeteiligung, internationale Ausstellungen, Tagungen und Festivals beherbergt. Das VDNH wurde in 1939 eröffnet und wird derzeit einer Rekonstruktion unterzogen, die das Areal modern aufwertet und zugleich das historische Erbe bewahrt. In diesem Zuge werden ein neuer Ausstellungspavillon errichtet und das Congress Center modernisiert, das bis zu 4.500 Personen fassen kann.

Was sollte sonst noch wissen, wer Geschäfte in Russland machen möchte?

Bürger aus derzeit über 30 Ländern können visafrei einreisen. Personen aus anderen Ländern, die mit dem Schiff nach Russland reisen, können sich 72 Stunden visafrei aufhalten. Für große internationale Events wurden die Regelungen für Organisatoren, Zulieferer und Teilnehmer vereinfacht. E-Visas wurden in diesem Jahr gelauncht; bis 2021 sollen diese auf alle Regionen im Land ausgeweitet werden.

E-Visas sind kostenfrei, werden in vier Kalendertagen ausgestellt und erfordern keinen Grund der Einreise mehr. Sie sind ab dem Tag der Ausstellung insgesamt 30 Kalendertage gültig und erlauben bis zu acht Tage Aufenthalt. Das gute russische Preis-Leistungs-Verhältnis auf hohem Niveau macht B2B-Veranstaltungen deutlich preiswerter als in Europa.

Herr Kalachev, wir bedanken uns für das Gespräch.

 

Artikel aus mep-Ausgabe 5/19.