Das mit Spannung erwartete neue Heidelberg Congress Center soll in zehn Monaten eröffnen. Einen Vorab-Eindruck geben die beiden Geschäftsführer Mathias Schiemer (MS) und Thomas W. Sante (TS) im Gespräch mit mep.
mep: Herr Schiemer, Herr Sante, wie ist der aktuelle Entwicklungsstand zum neuen Heidelberger Kongresszentrum?
MS: Die städtische Baugesellschaft BSG macht eine professionelle Arbeit und unsere Expertenrunde ist begleitend dabei, wie bereits seit Beginn der Planungsphase im Jahr 2018. Bis jetzt sind wir im Budgetrahmen und die Schlüsselübergabe ist für den 1. März 2024 fest geplant. Somit ist der Bau auch im Zeitplan und dies mit den Widrigkeiten einer Pandemie, dem Ukrainekrieg sowie einem fortdauernden Fachkräftemangel. Was sind die nächsten Realisierungsschritte?
TS: Bis zum 1. März im kommenden Jahr muss das Unternehmen aufgebaut sein. Der Verkauf ist bereits im Gange. Derzeit suchen wir Fachpersonal für mehrere Arbeitsfelder und bauen die logistischen Strukturen auf. In wenigen Wochen wird feststehen, wer das Catering und wer z.B. die Betreuung der Veranstaltungstechnik oder die Möbellogistik übernehmen wird, und dann folgen die Entscheidungen für weitere Dienstleister. Uns wird nicht langweilig.
Welche strategischen Ziele setzt sich Heidelberg mit dem Neubau?
MS: Eine Stadt mit der ältesten Universität in Deutschland mit Excellence Status, einer Universitätsklinik mit weltweitem Renommee, vier Max Planck Instituten, dem European Molecular Biology Zentrum, dem Deutschen Krebsforschungszentrum u.v.m. und nie konnte die Wissenschaft nach Heidelberg zu einem Kongress einladen? Das wird sich ändern. Heidelberg als internationale Tourismusstadt wird nun auch internationaler Kongressstandort.
TS: So können auch die zahlreichen Wirtschaftsunternehmen aus Heidelberg und der Region nun angemessen im größeren Rahmen professionell tagen.
Mit welchen USP’s und Standortvorteilen punktet die Location?
MS: Heidelberg liegt im Herzen Deutschlands und Europas und ist bestens angeschlossen für Bahn und Auto und unweit des internationalen Flughafens Frankfurt. Der ÖPNV ist direkt vor der Türe. Darüber hinaus verfügt das Gebäude über eine multifunktionale Raumplanung, welche vor dem Architektenwettbewerb von uns gemeinsam mit den erwähnten Experten aus Event-Media und Gastronomie geplant wurde.
TS: Derzeit einmalig in Deutschland dürfte sein, dass die beiden Säle über Mega-Digitalwände verfügen, die übrigens im Mietpreis inkludiert sind.
Können Sie uns einen ersten Überblick über Infrastruktur und maßgebliche Räume geben?
TS: Das Gebäude ist in drei Veranstaltungsebenen unterteilt mit einem großen Saal für bis zu 1.800 Personen im Erdgeschoß und einem teilbaren Saal für bis zu 600 Personen im 1. Obergeschoß. Dazu kommen ein „PopUp-Forum“ zur Nutzung als Meeting- oder Gastronomiefläche, diverse Meetingräume sowie im Mezzanine eine Erlebnisküche mit 50 Sitzplätzen um drei Live-Cooking-Stations gruppiert und einer Panoramasicht in die Hauptküche. Im obersten Stock befinden sich weitere Meetingräume sowie ein „Sky-Forum“ zum Entspannen unter freiem Himmel.
Wie sieht‘s in Sachen Nachhaltigkeit aus?
TS: Das Heidelberg Congress Center HCC ist nach Kriterien des Passivhaus-Standards konzipiert. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB hat das Gebäude bereits mit „Gold“ ausgezeichnet. Eine Photovoltaikanlage und eine Anbindung an die Fernwärme sind dann schon beinahe Randnotizen.
MS: Sicherlich einzigartig, zumindest in Deutschland, dürfte es sein, dass es 70 Ladesäulen für PKWs sowie 35 Ladeeinrichtungen mit je zwei Anschlüssen für Pedelecs in einer hauseigenen Tiefgarage mit 330 Plätzen geben wird.
Das neue Kongresszentrum befindet sich unmittelbar am Hauptbahnhof. Wie viele Hotels im 3- bis 5-Sterne-Bereich liegen in Gehentfernung?
MS: Seitdem feststeht, dass es ein Kongresszentrum in Heidelberg geben wird, sind in unmittelbarer Nähe in den letzten Jahren einige Hotelprojekte umgesetzt worden und ein 4-Sterne-Kongresshotel direkt gegenüber im Bau bzw. weitere Hotels in der Planung.
TS: Sicherlich wird sich auch bald noch das eine oder andere Bestandshotel für unsere Kongressbesucher aufhübschen.
Welche MICE-Formate live/digital/hybrid mit wieviel Teilnehmenden können Sie realisieren?
TS: Jedes Online-Format ist ohne großen zusätzlichen technischen Aufwand umsetzbar, da die Technik dazu bereits im HCC eingebaut sein wird. Es können dabei parallel stattfindende Veranstaltungen auch nach unterschiedlichen Formaten ausgestrahlt werden. Die Kapazität reicht bis knapp 3.000 Teilnehmer gleichzeitig, was allerdings nur selten der Fall sein dürfte.
Mit welcher innovativen Technik kann das neue Kongresszentrum aufwarten?
MS: Absolut einzigartig wird das vollausgestattete TV-Studio im Hause sein. Hier können nicht nur Live-Streamings stattfinden, sondern auch ganze Videoproduktionen erstellt werden. Eine digitale Wand und ein „Green-Screen“ ermöglichen jede Einspielung von Hintergründen wie gewünscht. Hier gibt es kaum Grenzen, da alles auf dem allerneusten Stand der Technik sein wird.
TS: Das Bedienpersonal wird den höchsten Ansprüchen gerecht werden.
Wie ist die Aufstellung im Bereich Küche/Restaurant, welche gastronomischen Kapazitäten sind leistbar?
TS: Wie bereits angesprochen, kann das Haus mit Parallelveranstaltungen arbeiten und somit können durchaus knapp 3.000 Personen verpflegt werden. Wir gehen aber davon aus, dass in der Regel zwischen 400 bis 1.000 Gäste im Schnitt an den Veranstaltungstagen betreut werden. Hinzu kommt noch ein Chef’s Table mit Blick auf die große Küche für 50 Personen, genannt „the kitchen“.
Wie viele Arbeitsplätze wird das Heidelberger Kongresszentrum bieten und wie läuft die Rekrutierungsphase ab?
TS: Wir wollen mit 16 festangestellten Mitarbeitenden anfangen und dann mit dem wachsenden Geschäftsaufkommen in einigen operativen Bereichen sukzessive aufstocken. Indirekt schaffen wir auch Dutzende externe Arbeitsplätze durch die Zusammenarbeit mit Dienstleistern in diversen Bereichen. Derzeit sind wir eine Kernmannschaft von 11 Personen und wachsen monatlich langsam weiter. Z.B. freuen wir uns, im Mai eine neue Kollegin im Sales zu begrüßen. Derzeit haben wir noch einige Stellen unbesetzt und freuen uns daher auch über gute Direktbewerbungen.
Die Schlüsselübergabe ist für März 2024 geplant. Hält der Termin?
MS: Aber selbstverständlich. Die Bauherrin hat uns diesen Termin kürzlich bestätigt. Der Countdown läuft und am 1. März 2024 öffnen wir die Türen. Was sind nach der Inbetriebnahme die mittelfristigen Perspektiven in einer sehr wettbewerbsintensiven Kongresswirtschaft?
TS: Heidelberg war bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte der Kongresslocations. Das ist bald vorbei. Wir erwarten daher, und sehen dies bereits an den zahlreichen Anfragen, einen Schwerpunkt im Bereich der Medizin-Kongresse mit und ohne begleitende Messen sowie in Firmenevents wie z.B. Hauptversammlungen und Vertriebstreffen.
MS: Den regionalen Markt haben wir von Anfang an fest im Fokus, aber auch ein Weltkongress sowie einige nationale Kongresse stehen bereits in den Büchern. Das bauen wir die nächsten Jahre weiter aus.
Die Herren, wir bedanken uns für das Gespräch.
Zur Person Mathias Schiemer:
Von Paris (Pernod Ricard) über Köln (RTL Mediengruppe) und Künzelsau (marbet GmbH) nach Heidelberg: Seit 2015 ist Mathias Schiemer Geschäftsführer der Heidelberg Marketing GmbH. Seit 2018 ist er zusätzlich Geschäftsführer der Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft mbH (Heidelberg Congress).
Zur Person Thomas W. Sante:
20 Jahre Erfahrung in der gehobenen Hotelindustrie in diversen leitenden Positionen, danach 2017-2022 im Kongress- und Veranstaltungswesen (Geschäftsführer der Wiesbaden Congress und Marketing GmbH und Betriebsleiter der TriwiCon) tätig. Seit November 2022 Geschäftsführer der Heidelberger Kultur- und Kongressgesellschaft mbH.